Das Fanal von Moria
15. Okt 2020
Das lodernde Flüchtlingslager hält auf brutale Weise der Bundesrepublik Deutschland und der EU den Spiegel vor.-
Allzu viele Verantwortliche in Politik und Gesellschaft haben tragfähige und menschliche Lösungen für Flüchtlinge verweigert. Die herrschende Agenda ist Abschrecken, Abschotten und Abschieben. Angst vor Fremdenfeindlichkeit und den Schwierigkeiten bei der Integration führen zu der Überzeugung, dass „das Boot voll ist“. Man kann sich gut dahinter verstecken, dass andere unwillig seien. Sicherung der Außengrenzen ist das geltende Credo.
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Maßnahmen wie das Unterbringen in Lagern mit lebensunwürdigen Bedingungen, Abschieben in Länder, die den Fremden gegenüber nicht vor Gewalt und Folter zurückschrecken, die achselzuckende Inkaufnahme des Tod vieler im Mittelmeer n und die weitere Behinderung der Seenotrettung sind Ausweis dieser Unwilligkeit.
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Das Verweisen auf die Notwendigkeit einer europäischen Lösung – so sinnvoll sie sein könnte, wenn sie von einem Paradigmenwechsel geprägt wäre – ist für die Bundesrepublik eine erbarmungswürdige Ausrede, zumal es von einem kleinteiligem Angebot (150! Kinder und Jugendliche) begleitet wird.
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Solange die europäischen Staaten die Erkenntnis verweigern, dass sie aufgrund der kapitalistischen Handlungsnormen, die Ressourcenausbeutung in zahlreichen Ländern und militärische Absicherung der Handelswege erfordern, weitestgehend an den Ursachen von Flucht und Vertreibung beteiligt sind, bleiben sie blind für die Folgen. Weder der Aufbau von Sicherheitsstrukturen in betroffenen Ländern noch Entwicklungshilfe ändern das.
Die humanitäre Katastrophe ist nur das Symptom eines politisch organisierten und gewollten Versagens. Zu Recht wird gefordert, dass die Zustände das Ende eines für ganz Europa beschämenden Zustands verlangen, dass die Ding beim Namen genannt werden. Mitleid reicht nicht aus. Erste Hilfe dort lindert zunächst, bringt den Geflüchteten und Migranten aber weder ihre Würde zurück noch schafft sie Lebensperspektiven.
In Europa wird gerne von Wertegemeinschaft und Menschenrechten gesprochen. Solche Rede scheint dazu zu dienen, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Notwendig wäre die Hand zu drehen und auf sich selbst zu zeigen oder mindestens schamvoll zu schweigen.
Als pax christi können und wollen wir unsere christlich-jüdische Tradition nicht ignorieren, die eindeutig Stellung nimmt. In Levitikus 19, 34 heißt es: "Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen.“